“Das Bremsengeschäft bleibt für die Werkstatt ein wichtiger Umsatztreiber.”

Clément de Valon, EVP Independent Aftermarket

Bremsexperte im Interview:

Clément de Valon

Executive Vice President Independent Aftermarket at TMD Friction

Der Ersatzteilmarkt muss sich derzeit extremen Herausforderungen stellen und sich gleichzeitig heute schon auf die ständig wachsenden Anforderungen von morgen vorbereiten. Im Interview sprechen wir mit Clément de Valon, Executive Vice President Independent Aftermarket bei TMD Friction, über die Elektrifizierung des Fahrzeugparks in Europa und wie sich TMD Friction aufstellt, um diesem Trend, der in Zukunft zu einem veränderten Verhalten in der gesamten Wertschöpfungskette führen wird, zu begegnen.

Kurzprofil

Clément de Valon verfügt über langjährige Expertise im Aftermarket. Er bekleidete in den vergangenen Jahren diverse Führungspositionen bei den Automobilzulieferern Valeo und Garrett und hat in mehr als 27Jahren in diesem Business umfassendes Know-how in den Bereichen Vertrieb und Marketing aufgebaut. In den 17 Jahren bei Valeo lag sein Fokus auf dem internationalen Aftermarket. Zuletzt war er dort für die globalen Aktivitäten für IAM Wiper Blades verantwortlich. Von Valeo wechselte de Valon 2012 zu Garrett und leitete dort bis 2019 das weltweite Turbocharger Aftermarket Geschäft, bevor er zu TMD Friction wechselte.

De Valon zeichnet ein tiefes Verständnis für den internationalen Vertrieb und interkulturelle Zusammenarbeit aus. Im Rahmen seiner bisherigen Tätigkeiten hat er stets den unmittelbaren Kontakt zu den Aftermarket Kunden in mehr als 100 Ländern weltweit gesucht, um die Maßnahmen der von ihm geführten Sales & Marketing Teams noch besser abstimmen zu können.

Welche Trends sind aus Ihrer Sicht die wesentlichen Markttreiber?

„Unsere Branche muss sich auf radikale Veränderungen einstellen. Aktuelle Herausforderungen wie die Energiekrise, der Klimawandel, Lieferkettenprobleme, Fachkräftemangel sowie explodierende Kosten haben bereits einschneidende Veränderungen angestoßen. Hinzu kommen neue Marktteilnehmer, digitale Dienste und E-Commerce, die die Wettbewerbssituation mittel- und langfristig verschärfen. Zudem müssen die Marktteilnehmer mit anhaltenden technologischen Änderungen Schritt halten – allen voran der E-Mobilität.

Die zunehmende Elektrifizierung des Fahrzeugbestands wird die gesamte Wertschöpfungskette im Ersatzteilmarkt verändern. Bis 2035 könnten je nach Region etwa 45 Prozent der Neuwagenkäufe elektrifiziert sein. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es jedoch schwierig, eine eindeutige Prognose abzugeben, denn wir befinden uns im Jahr 2023 und es ist denkbar, dass neue Lösungen diese Prognose durchaus noch verändern. Das Ziel ist klar: eine emissionsfreie Mobilität. Diese Vision zu unterstützen, liegt uns sehr am Herzen.

Wie unterstützt TMD Friction seine Kunden in Hinblick auf die Elektrifizierung des Fuhrparks?

„Die Elektromobilität stellt den freien Ersatzteilmarkt vor neue Herausforderungen und wird ohne Zweifel Kosten, Bedarf und Aufwand für Wartung und Reparatur verändern. Wir sind allerdings überzeugt, dass die die Sicherstellung von leistungsfähigen Bremssystemen in Fahrzeugen auch in Zukunft ein wichtiges Geschäft für die freie Werkstatt bleibt – auch wenn die starke Selbstbremswirkung des E-Motors dazu führt, dass es für geringe Verzögerungen völlig ausreicht, den Fuß vom Gaspedal zu nehmen.

Als Friction Expert leisten wir einen wesentlichen Beitrag, damit der Ersatzteilmarkt auch bei elektrisch angetriebenen Fahrzeugen konkurrenzfähig bleibt. Wir sind wirklich stolz, sagen zu können, dass das Ersatzteilprogramm unserer Premium-Marke Textar aktuell 99 Prozent der europäischen Fahrzeugflotte an E-Fahrzeugen und Hybriden abdeckt. Damit sind wir, was die Abdeckung für elektrisch angetriebene Autos angeht, Spitzenreiter im Markt.“

Welche Rolle spielt das Know-how aus der Serie für die Materialabstimmung?

„Kunden im Ersatzteilmarkt und in der Erstausrüstung arbeiten mit uns zusammen, weil wir das Thema Bremsen ‚atmen‘ – und zwar Tag und Nacht. Als Serienlieferant kennen wir die Ansprüche der Fahrzeughersteller an Bremskomponenten für Elektrofahrzeuge und sind als einer von wenigen Herstellern in der Lage, die nötige Materialabstimmung vorzunehmen.

Diese spielt beim E-Auto eine noch viel größere Rolle als beim Verbrenner, da der Belag auf der einen Seite nicht so aggressiv sein darf, dass Geräusche entstehen, auf der anderen Seite aber aggressiv genug sein muss, um eine gute Bremsperformance zu liefern und die Scheibe gegebenenfalls von Ablagerungen und Korrosion frei zu bremsen. Das klingt vielleicht banal – aber dahinter stecken mehr als 100 Jahre Materialkompetenz und Entwicklungserfahrung sowie ein Team von Spezialisten, die aus 797 verschiedenen Rohstoffen genau die richtigen optimal miteinander kombinieren So haben wir in den letzten drei Jahrzehnten mehr als 50.000 Rezepturen gemischt.“

Wird die Bremsenreparatur und Wartung ihren hohen Anteil am Werkstattumsatz einbüßen, da E-Fahrzeuge auch weniger die Bremse abnutzen?

„Ich denke, der Markt ist momentan mit vielen verschiedenen Trends konfrontiert, dessen Auswirkungen niemand zum jetzigen Zeitpunkt vollständig absehen kann. Ja, die Elektrifizierung wird Auswirkungen haben. Das ist klar, aber klar ist auch, dass auch bei einem E-Fahrzeug die Bremsbeläge erneuert werden müssen. In welchem Umfang sich die Abnutzung der Bremsbeläge über die gesamte Laufleistung reduziert, ist schwierig zu prognostizieren. Uns liegen Zahlen vor, dass diese um 50 Prozent sinken könnte; andere Prognosen zeigen nur eine Reduktion um 20 Prozent. Das hängt meines Erachtens sehr stark vom Fahrzeug und vom Fahrverhalten ab. Wir glauben, dass es noch viele andere Gründe für den Austausch von Bremsbelägen und Bremsscheiben geben wird als die Abnutzung – zum Beispiel Rost.

Dazu kommt noch ein anderer Aspekt. Die Elektromobilität kommt nicht von heute auf morgen. Wie gesagt könnten 45 Prozent der Neuwagenverkäufe im Jahr 2035 elektrifiziert sein. Auf den Straßen in Europa sind aber 340 Millionen Fahrzeuge mit einem Durchschnittsalter von 12 Jahren unterwegs. Bis sich der Fuhrpark auf Elektromobilität umgestellt ist, vergeht noch viel Zeit. Insofern ist es schwer abzuschätzen, was dieser Trend am Ende für die Werkstatt bedeutet. Aber Bremsbeläge sind wichtig für die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer – daher sind wir überzeugt, dass ihre Wartung und Instandhaltung auch im Jahr 2030 oder 2040 für Autofahrer eine Rolle spielen werden; unabhängig von der Antriebsart des Fahrzeugs. Aus diesem Grund sehen wir Bremslösungen für die Werkstatt nach wie vor als vielversprechendes Geschäft und sind sicher, dass unsere Expertise noch lange gefragt ist.“